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Dafür bist du nicht verantwortlich! Oder doch?

Überblick

Wofür bin ich verantwortlich? Und wie kann ich das herausfinden?

Ich heiße Christina Eberitsch, bin Mama von 4 Kindern, Ehefrau und arbeite als systemische Beraterin mit Schwerpunkt Familien in Unterwellenborn.

Dafür bist du nicht verantwortlich! Oder doch?

Ferdinand ist 30 Jahre alt, er lebt bei seiner Mutter. Nach einer Drogengeschichte und verschiedenen Hilfsjobs, versucht er sich nun an der Börse. Ein selbstständiges Leben in einer eigenen Wohnung – in weiter Ferne. „Dafür bin ich nicht verantwortlich“, sagt seine Mutter.

Kira ist 40, sie hat eine steile Karriere hingelet, ist erfolgreich. Doch abends sitzt sie in ihrer Wohnung und weint. Weint darüber, ihr Leben wie ein Theaterstück zu spielen, ohne zu wissen wer sie selbst ist.  „ Das ist doch nicht meine Schuld“, sagen ihre Eltern.

Max ist 25 Jahre. Er sitzt im Gefängnis. Weil er unter Drogen Auto gefahren ist und eine Frau bei einem, von ihm verursachten Unfall, gestorben ist. „Dafür bin ich nicht verantwortlich“, sagt sein Vater.

Melanie ist 50, ihr Fuß wird amputiert. Es ist ein schwerer Schritt. Doch nach langem Leiden gab es keinen anderen Weg mehr. „Das habe ich dir schon vor Jahren prophezeit, doch du wolltest nie hören“ , sind da nur die Worte ihrer Mutter.

John ist 36, schon lange merkt er, dass er beim Autofahren Schwierigkeiten hat – doch vor seiner Freundin würde er das nie zugeben. Er muss doch stark und sicher auftreten. Die Stimme in seinem Kopf hält ihn zwar schon lange für einen Versager, doch nach außen wird das niemals dringen.

Wer ist denn nun Schuld?

Fünf (frei erfundene, aber an die Realität angelehnte) Lebensgeschichten, die davon zeugen, dass erwachsene Menschen Schwierigkeiten haben ihr Leben zu gestalten. Fünf Geschichten, in denen Eltern sagen, sie hätten keine Verantwortung.

Zuerst möchte ich ein bisschen über den Hintergrund der Geschichten aufklären und dann schauen wir uns mal die verschiedenen Beteiligten und die Verantwortungsbereiche an.

In der Literatur gibt es immer eine Erzählperspektive. Meine ist heute die des allwissenden Erzählers.

Das heißt ich gebe dir jetzt Hintergrundwissen zu den einzelnen Geschichten, welches nur ich habe. Weder die Personen selbst, noch deren Eltern wissen davon.

Ferdinand läuft seit 30 Jahren mit einem nicht diagnostizierten Autismus herum. Schon in der Schule war er auffällig. Kam mit dem Stoff nicht hinterher. Hatte Schwierigkeiten beim Lernen. Doch anstatt nach Ferdinand zu schauen, hatte das Schulsystem und die Erwartungen Priorität. Was passierte also? Ferdinand wurde durch Strafen und Belohnung irgendwie durch die Schulzeit geschubst. Als diese endete, Ferdinand erwachsen wurde, so wusste er immer noch nicht wie und wer er ist, er wusste aber, dass er das System der Strafen nicht mehr will und flüchtete sich in eine andere Welt. Hier die Welt der Drogen.

Kira geht es ähnlich. In frühester Kindheit hat sie massive Bindungs- und Beziehungstraumata erlebt. Doch niemand hörte sie. Also tun Kinder das, was ihnen die Natur mitgegeben hat – sie geben sich selbst auf, nur um weiterhin zur Gruppe dazuzugehören. In Kiras Fall bedeutete das, dass sie Leistung erbracht hat, um geliebt zu werden. Das hat lange Zeit sehr gut funktioniert, doch heute fühlt sie sich einfach nur noch leer und ausgelaugt.

Dann haben wir da noch Max, dessen Gehirn einfach ein bisschen anders funktioniert. Nämlich nach den Grundsätzen der ADHS. Doch auch hier hat niemand hingeschaut. Niemand hat ihm erklärt, wie sein Gehirn arbeitet und wie er gut leben kann. Auch er wurde mit aller Macht ins System gedrückt. Nun ja, bis seine Drogenkarriere startete und er mit wilden Autorennen vor der Realität flüchtete.

Die letzten beiden Lebensgeschichten sind anders. Womöglich bist du schon beim Lesen darüber gestolpert und hast gedacht: Nanu, das ist doch ganz offensichtlich.

Ja, vielleicht. Melanie hat Diabetes, doch war nie motiviert sich danach zu richten. Sie hat einfach gegessen, wie es ihr gepasst hat. Und das führte am Ende zur Amputation des Fußes.

Genauso John. Er ist kurzsichtig. Bräuchte zum Autofahren eine Brille. Keine große Sache magst du denken.

Und wie genau passen diese Geschichten zusammen?

Ganz einfach.

Während es für die meisten Menschen total normal und total logisch ist, sich nach einer körperlichen Besonderheit zu richten. So ist es noch immer nicht normal sich nach psychischen Besonderheiten zu richten.

Warum nicht?

  • Wenn ich Diabetes habe, achte ich darauf, was ich esse. Ich kontrolliere meinen Blutzucker.
  • Wenn ich eine Gerinnungsstörung habe, nehme ich Blutverdünner.
  • Wenn ich Autismus habe, sorge ich für Pausen und weniger Reize.
  • Wenn ich ADHS habe, schaffe ich mir Strukturen, um den vielen Gedanken in meinem Kopf einen Rahmen und Richtung zu geben.

An den Geschichten oben, siehst du, wie wichtig es ist, sich und sein Leben danach auszurichten, wie wir sind, welche Besonderheiten wir haben, welchen Charakter wir haben, welche Stärken, Talente oder auch Erkrankungen.

Bist du so weit noch bei mir?

Dann gehen wir nun einen Schritt weiter.

In der Überschrift steht ja das Wörtchen Verantwortung.

Wer genau trägt denn nun die Verantwortung, dass diese Lebensgeschichten so verlaufen sind?

Ich finde, dass kommt auf ganz viele verschiedene Faktoren an.

In den oben genannten Beispielen weisen die Eltern ja jeweils ihre Verantwortung ganz klar von sich. Und wenn wir uns nur die Momentaufnahme anschauen. Also der Moment des Unfalls oder der Moment der Amputation. Dann würde ich dem sogar zustimmen. Dafür tragen Eltern keine Verantwortung.

Doch was ist mit den vielen vielen Jahren davor?

Ich möchte das gerne etwas differenzierte betrachten. Denn das, was ich oben beschrieben habe, ist ja lediglich eine Momentaufnahme.

Wenn ein Kind geboren wird, dann ist es vollkommen hilflos. Vollkommen auf Erwachsene angewiesen, die sich um es kümmern. Doch dieses Kümmern bedeutet nicht nur, dass es satt und sauber ist, sondern auch, dass Eltern einen Blick darauf haben. Wie tickt mein Kind? Wie nimmt es seine Umwelt wahr? Was kann es aushalten?

Wichtig hierbei ist es mir zu sagen, dass ich niemals dafür bin ein Kind zu verhätscheln und vertätscheln.

Wie bekomme ich als Elternteil also nun die Gradwanderung hin? Mein Kind mit all seinen Facetten ernst zu nehmen, es aber nicht zu verhätscheln?

Verhätscheln bedeutet für mich, dass Besonderheiten die wir als Menschen mitbringen als Ausrede für alles genutzt wird. Dadurch passieren dann aber mehrere Dinge, die meiner Meinung nach nicht förderlich sind.

  1. Das Kind lernt und verinnerlicht: Ich kann das nicht, ich brauche Hilfe.
  2. Die Eltern haben das Gefühl ständig präsent sein zu müssen und alles zu kontrollieren.
  3. Das Kind, bekommt keine Chance Fähigkeiten zu erwerben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Für mich bedeutet die Begleitung von Kindern immer ein abwägen.

  • Was kann ich meinem Kind zutrauen?
  • Was braucht mein Kind um diese oder jene Fähigeit zu lernen?
  • Welche Alternativen kann ich meinem Kind anbieten?
  • Was ist das tiefere Bedürfnis hinter dem was mein Kind tut? – Nur, wenn ich das Bedürfnis kenne, kann ich auch Alternativen anbieten.
  • Wie weit muss mein Kind dem gesellschaftlichen Mittelmaß entsprechen?
  • Wie kann ich es dabei begleiten, die Stärke zu entwickeln, seinen eigenen Weg zu gehen?

Wir als Eltern können im Laufe des Lebens unserer Kinder viel dafür tun, sie auf dem Weg zu selbstständigen und selbstbewussten Erwachsenen zu begleiten.

Und auch bei aller Vorsicht, bei allem Reflektieren und neu ausrichten, bei allem Engagement – machen wir als Eltern nicht alles richtig. Das ist total normal.

Wenn du also merkst, du bist mit deinem Kind irgendwo in der Erziehung, im Familienleben falsch abgebogen, so heißt das Zauberwort wieder : Verantwortung.

Übernimm Verantwortung für das was du getan oder gesagt hast. Kommuniziere deinem Kind, dass auch MaPa mal Fehler machen und überlegt gemeinsam, wie es nun weitergehen kann.

Was dein Kind dadurch lernt?

  • Dass es ok ist, Fehler zu machen
  • Dass es ok ist, über Fehler zu sprechen
  • Dass eine Beziehung immer wieder zu reparieren ist, wenn beide es wollen

Nun bist du an der Reihe? Übernimmst du Verantwortung für dich und dein Verhalten?

Begleitest du dein Kind, so wie es deinem Kind gut tut?

Wenn sich bei dir noch Fragen ergeben, dann melde dich gerne bei mir.

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