Elternsein ist eine der herausforderndsten Aufgaben im Leben. Eine besonders große Herausforderung ist es, wenn Kinder nörgeln. Viele Eltern geben in diesen Momenten nach und versuchen, ihrem Nachwuchs jeden Wunsch zu erfüllen, nur um das Nörgeln zu beenden. Doch warum können wir die schlechte Laune so schlechte aushalten?
Aspekt 1: Fehlende Selbstregulation
Ein Grund liegt darin, dass viele Erwachsene selbst als Kind nicht gelernt haben, ihre Emotionen zu regulieren. Sie haben keine Strategien entwickelt, um sich in stressigen Situationen zu beruhigen. Stattdessen greifen sie häufig zu schnellen Lösungen wie Schokolade, Kaffee oder anderen Ablenkungen.
Diese fehlenden Selbstregulationsfähigkeiten übertragen sich oft auf ihre Erziehungsmethoden. Eltern, die sich selbst nicht gut regulieren können, wissen auch nicht, wie sie ihrem Nachwuchs beibringen sollen, mit ihren Emotionen umzugehen. Das führt dazu, dass sie in schwierigen Momenten schnell nachgeben, um die Situation zu entschärfen.
Aspekt 2: Alte Wunden und emotionale Trigger
Der zweite und meiner Meinung nach stärkere Aspekt ist, dass das Meckern der Kinder oft alte Wunden bei den Eltern aufreißt. Jedes Nörgeln ruft die Gefühle wach, die sie selbst als Kinder hatten, wenn niemand für sie da war. Diese unbewältigten Emotionen aus der Kindheit lassen uns wieder wie ein kleines Kind fühlen – hilflos, allein und überfordert.
Diese emotionalen Reaktionen können so überwältigend sein, dass Erwachsene nicht in der Lage sind, angemessen und ruhig zu reagieren. Stattdessen geben sie nach, um den Frieden wieder herzustellen und die eigenen negativen Gefühle zu vermeiden.
Das Scheitern der Elternratgeber
Hier scheitern viele Erziehungsratgeber. Sie bieten Strategien an, wie Eltern mit schwierigen Situationen umgehen können und ihre eigenen Gefühle unterdrücken sollen. Diese Ansätze greifen jedoch oft zu kurz, weil sie nicht die tieferliegenden emotionalen Ursachen adressieren.
Der erste Schritt: Erwachsen sein und Nörgeln begleiten
Der erste Schritt, um in schwierigen Situationen angemessen reagieren zu können, ist, dass Eltern sich als Erwachsene und wirksam fühlen. Sie müssen lernen, ihre eigenen Emotionen zu verstehen und zu regulieren, um in der Lage zu sein, ruhig und besonnen zu reagieren.
Wenn sie sich als Erwachsene fühlen und ihre emotionalen Trigger erkennen, können sie ihren Kindern auf eine Weise begegnen, die ohne Machtspiele und Schreien auskommt. Sie können ihrem Nachwuchs gegenübertreten und ihm helfen, seine eigenen Emotionen zu verstehen und zu regulieren, anstatt einfach nur nachzugeben, um das Nörgeln zu beenden.
Fazit
Die schlechte Laune von Kindern kann bei tief verwurzelte emotionale Reaktionen wecken. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, ist es wichtig, dass sie ihre eigenen Emotionen und Trigger erkennen und lernen, sich selbst zu regulieren. Nur so können sie ihren Kindern auf eine gesunde und unterstützende Weise begegnen und ihnen beibringen, mit ihren eigenen Emotionen umzugehen.
Hier noch ein kleines Fallbeispiel
Fallbeispiel: Eine Mutter und ihr weinendes Kind
Es ist mitten in der Nacht. Die kleine Anna liegt in ihrem Bett und weint herzzerreißend. Ihre Mutter, Lisa, wacht auf und eilt sofort ins Kinderzimmer. Sie nimmt Anna in die Arme, wiegt sie sanft hin und her und beginnt, ihr Lieblingslied zu singen. Doch Anna beruhigt sich nicht. Lisa versucht es mit einer anderen Melodie, dann mit Streicheln und liebevollen Worten. Doch nichts scheint zu helfen.
Lisa spürt, wie die Verzweiflung in ihr aufsteigt. Sie tut doch alles, was in ihrer Macht steht, um ihre Tochter zu beruhigen. Warum hört das Weinen nicht auf? Mit jeder Minute, die vergeht, fühlt sie sich immer hilfloser. Tränen steigen ihr in die Augen, und sie beginnt an sich selbst zu zweifeln.
Während sie Anna weiterhin in den Armen hält, kommen ihr plötzlich Erinnerungen an ihre eigene Kindheit. Sie erinnert sich daran, wie sie selbst oft weinend im Bett lag, allein und verlassen. Niemand kam, um sie zu trösten. Sie fühlte sich so einsam und hilflos. Diese schmerzhaften Erinnerungen überfluten sie, und sie erkennt, dass Annas Weinen diese alten Wunden wieder aufreißt.
Dann wird ihr etwas klar: Sie hatte sich immer geschworen, dass ihre Kinder nie so weinen müssen wie sie. Und in diesem Moment realisiert Lisa, dass sie bereits viel besser macht als ihre eigenen Eltern. Sie ist da. Sie tröstet ihre Tochter. Sie ist nicht allein.
Diese Erkenntnis bringt ihr eine tiefe innere Ruhe. Sie atmet tief durch und lässt die Anspannung los. Sie weiß, dass sie für Anna da ist und dass sie alles tut, was in ihrer Macht steht. Diese Gelassenheit überträgt sich auf Anna. Langsam beginnt das kleine Mädchen, sich zu beruhigen. Ihr Weinen wird leiser, und schließlich schläft sie in den Armen ihrer Mutter ein.
Lisa legt Anna behutsam zurück ins Bett und bleibt noch einen Moment, um sicherzugehen, dass sie wirklich schläft. Mit einem Gefühl der Erleichterung und Zufriedenheit kehrt sie in ihr eigenes Bett zurück. Sie weiß, dass sie es richtig gemacht hat und dass ihre Liebe und Präsenz den entscheidenden Unterschied machen.