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Wie Rollenbilder unsere Beziehung beeinflussen

Wie Rollenbilder unsere Beziehung beeinflussen

Warum es so wichtig ist, unsere Entscheidungen in Partnerschaft und Elternschaft bewusst zu treffen.

In vielen Paarbeziehungen erleben wir heute noch ein erstaunlich traditionelles Rollenverständnis – oft ganz unbewusst. Zwei Menschen finden zueinander, lieben sich, teilen ihr Leben. Irgendwann entsteht der Wunsch nach einem Kind. Und dann beginnt ein Prozess, der in vielen Fällen beinahe automatisch abläuft: Die Frau bleibt nach der Geburt zu Hause, der Mann geht weiter arbeiten. Nicht etwa, weil das Paar es ausführlich besprochen hat, sondern weil es sich „so gehört“ – oder „weil man das eben so macht“.

Doch genau hier beginnt das Dilemma. Wenn Rollen nicht bewusst gewählt, sondern übernommen werden, schleichen sich Frust, Überforderung und emotionale Distanz oft langsam, aber spürbar in die Beziehung ein.


Rollenbilder als unsichtbare Struktur

Rollen sind nichts Schlechtes. Sie helfen uns, uns im sozialen Gefüge zurechtzufinden. Die Rolle der Mutter, des Vaters, der Partnerin, des Versorgers – sie alle geben Orientierung. Problematisch wird es jedoch, wenn diese Rollen nicht zu den Menschen passen, die sie ausfüllen. Wenn sie als Pflicht empfunden werden, nicht als Wahl. Oder wenn sie Erwartungen mit sich bringen, die nie ausgesprochen wurden.

Oft übernehmen wir Rollenbilder aus unserer Herkunftsfamilie. Wer als Kind gesehen hat, dass die Mutter zu Hause blieb und der Vater das Geld verdiente, übernimmt diese Aufteilung womöglich, ohne sie je in Frage zu stellen. Auch gesellschaftliche Ideale – etwa die hingebungsvolle „Super-Mama“ oder der leistungsstarke „Ernährer“ – wirken unterschwellig weiter, selbst wenn wir eigentlich andere Vorstellungen von Gleichberechtigung haben.


Ein Beispiel aus der Praxis

Nehmen wir das Beispiel von Lisa und Tom. Beide wünschen sich ein Kind. Als Lisa schwanger wird, ist für sie klar: Sie bleibt nach der Geburt zu Hause. Tom verdient gut, und ein Baby braucht doch seine Mama – oder?

Die ersten Monate mit dem Baby sind erfüllend, aber auch anstrengend. Irgendwann merkt Lisa, dass sie sich in der Mutterrolle verliert. Gespräche mit dem Partner sind oberflächlich geworden. Toms Alltag findet in der Arbeitswelt statt, Lisas in einer endlosen Abfolge von Stillen, Schlafen, Windeln wechseln. Wenn sie ehrlich ist, fühlt sie sich einsam. Und gleichzeitig schämt sie sich für dieses Gefühl, denn sie „hat sich das ja ausgesucht“.

Doch das stimmt nicht ganz. Lisa und Tom haben nie wirklich darüber gesprochen, wie sie sich ihr Leben mit Kind vorstellen. Sie haben übernommen, was nahelag – ohne zu prüfen, ob es auch zu ihnen passt. Erst als der Frust groß wird, beginnen sie, sich mit ihren Rollen auseinanderzusetzen. Und stellen fest: Es braucht neue, bewusst getroffene Entscheidungen.


Bewusste Entscheidungen statt unbewusste Muster

Virginia Satir, eine Pionierin der Familientherapie, sagte einmal:
„Du musst aus der Rolle fallen, um aus der Falle zu rollen.“
Ein kluger Satz – denn viele Beziehungsfallen entstehen genau dadurch, dass Menschen in Rollen verharren, die sie nie bewusst gewählt haben.

Wer immer nur eine Rolle spielt – sei es die der verständnisvollen Mutter, des starken Mannes oder der still leidenden Partnerin –, verliert irgendwann den Kontakt zu sich selbst. Und wenn das eigene Gefühl nicht mehr ernst genommen wird, wenn die Bedürfnisse ständig untergeordnet werden, entsteht Misstrauen – sich selbst gegenüber.

Vertrauen in die Beziehung beginnt mit Vertrauen in sich selbst. Und dieses Vertrauen entsteht nur, wenn ich das Gefühl habe, mein Leben wirklich gestalten zu dürfen – nicht nur zu funktionieren.


Fragen, die neue Klarheit schaffen

Wenn Paare merken, dass sich in ihrer Beziehung etwas verschiebt, kann es hilfreich sein, sich gemeinsam folgende Fragen zu stellen:

  • Welche Rollen habe ich aktuell in unserem Familienalltag übernommen?
  • Habe ich sie bewusst gewählt – oder einfach übernommen?
  • Wie fühle ich mich damit?
  • Welche Rolle wünsche ich mir für mich – und wie kann ich dafür einstehen?
  • Welche Erwartungen bringen wir (unausgesprochen) aus unseren Herkunftsfamilien mit?

Solche Gespräche brauchen Mut, Ehrlichkeit und die Bereitschaft, auch mal unbequeme Wahrheiten zuzulassen. Aber sie sind die Grundlage für echte Veränderung.


Fazit: Du darfst entscheiden, wer du bist

In einer gleichberechtigten Partnerschaft geht es nicht darum, wer mehr leistet oder wer sich aufopfert – sondern darum, gemeinsam zu gestalten. Rollen dürfen sich verändern. Und sie dürfen neu verhandelt werden.

Denn am Ende ist Beziehung nicht das Erfüllen von Erwartungen, sondern das ehrliche Miteinander zweier Menschen, die sich selbst und einander ernst nehmen. Der erste Schritt dahin? Sich selbst wieder zuhören.

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Zertifiziertes Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF)

Ich bin Christina Eberitsch, systemische Beraterin mit Schwerpunkt Paare, Eltern und Familien in Unterwellenborn. Als hochsensible Mama von vier Kindern und Ehefrau lebe ich authentisch das, was ich meinen Klienten vermittle.

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